Eine Geschichte in eigener Sache: Vielleicht interessiert es die Leserinnen und Leser unseres Blogs, wie die Fotos zu unserem ersten Buch „Große Salate“ entstanden sind. Ob und welche Tricks für die sogenannte „Foodfotografie“ angewendet wurden, wie schnell oder langsam die Bilder entstanden sind und welchen Herausforderungen wir uns bei dem Fotoshooting stellen mussten.
Für uns war das Fotografieren unserer Rezepte jedenfalls eine komplett neue Erfahrung. Das Buch sollte noch im späten Sommer 2022 erscheinen, und diese Entscheidung wurde in Absprache mit uns erst im April getroffen. Das trug uns einen hohen Zeitdruck ein, denn es gab zwar schon alle Texte und Rezepte, aber noch keine Fotos. Unser geschätzter Verleger Bernhard Borovansky, mit dem wir hervorragend zusammenarbeiteten und -arbeiten, brachte uns mit dem renommierten Fotografen Kurt-Michael Westermann zusammen, und wir hatten zum Glück gleich einen guten Draht zueinander. Zur ersten persönlichen Besprechung kamen Verleger und Fotograf zu uns in die Wohnung, um sich die Gegebenheiten anzusehen: Gab es genug Platz und das richtige Licht, waren die wichtigsten Fragen. Für uns, die wir die Rezepte umsetzen mussten, war es wichtig, dass wir unsere Küche benützen konnten, denn alles in einem Studio anzurichten wäre ein Aufwand geworden, den wir kaum bewältigt hätten. Auch die Terminfrage mussten wir auf das Rascheste klären, denn sowohl wir als auch Kurt-Michael Westermann hatten bereits Verpflichtungen. Wir konnten auch schwer einschätzen, wie lange wir für 80 Rezepte brauchen werden. Wir einigten uns auf 11 Tage Ende Mai. Zur Sicherheit planten wir noch im Juli ein paar Tage ein, an denen wir ergänzende Fotos machen konnten.
Wir sprachen den Mythos an, dass bei Foodfotografie viel gefaked werden müsste: Essen würde lackiert oder durch Künstliches ersetzt usw., damit es toll aussähe. Kurt-Michael Westermann winkte ab: Wir mögen nur frisch alles zubereiten und anrichten, dann werde es in natura abgelichtet. Dieser ganze Firlefanz sei irgendwann aufgekommen, es brauche ihn aber gar nicht. Wir trafen uns darauf noch einmal im Verlag mit der verantwortlichen Grafikerin Ines Flattinger, um den Stil des Buches und der Fotos genauer zu besprechen und festzulegen. Wir einigten uns alle auf eine klare fast abstrakte Darstellungsweise ohne Ambiente und Stimmungsrequisiten, so dass die Salate für sich stehen könnten und nichts von ihnen ablenken würde. Diese Vorgabe hieß für uns, dass wir ganz exakt und sauber arbeiten und anrichten müssten, weil durch diesen reduzierten Stil nichts kaschiert oder verspielt werden könnte.
Wir entschieden uns, noch ein paar neue Teller und Platten zu kaufen, die diesen stilistischen Vorgaben entsprachen und Abwechslung in die Darstellungen bringen sollten. Wir absolvierten einen mehrstündigen online-Kurs zum Thema Anrichten und lernten, worauf zu achten ist, um einen Teller schön und anregend zu gestalten und ihn in jedem Sinne kostbar aussehen zu lassen.
Dann zogen wir uns mit dem Manuskript und allen Rezepten nach Muggia zurück, um uns auf das Shooting in aller Ruhe und konsequent vorzubereiten. Uns war wichtig, dass wir möglichst rasch und ressourcenschonend die Salate optimal herstellen und anrichten konnten. Wir machten mit einigen, uns anspruchsvoll erscheinenden Rezepten probeweise Anrichteversuche auf verschiedenen Tellern und in unterschiedlichen Modi. Traditionelle Salate versuchten wir durch unkonventionelle Zugänge interessanter darzustellen. Zum Beispiel richteten wir den Schweizer Wurstsalat in einer ausgehöhlten Semmel an, den italienischen Salat in einem großen halben Paprika oder „dekonstruierten“ den französischen „Salade Rochellaise“. Dann suchten wir eine sinnvolle Reihenfolge, in der wir die Salate fotografieren sollten. In den Überlegungen dazu fassten wir Salate mit ähnlichen Hauptzutaten zusammen, so dass wir an einem Tag beispielsweise alle Salate mit Fisolen und an einem anderen Tag Salate mit Roter Rübe gestalten wollten. Es gab auch kleinere Blöcke an Rezepten wie die mit Wassermelone und die mit Karotten. Schließlich hatten wir Module zusammengestellt, die praktisch und übersichtlich waren und uns halfen, die Salate schnell umzusetzen. Ein weiterer Vorteil war, dass wir zu den jeweiligen Blöcken die genauen Ingredienzien gelistet hatten, was uns den Einkauf und die Bevorratung der Zutaten erleichterte. Wir wollten und konnten keine Unmengen an Vorräten zu Hause haben, sondern am Tag der disponierten Rezeptfotos die Bestandteile möglichst frisch kaufen. Darüber hinaus mussten wir die Reihenfolge der Rezepte im Buch immer im Auge haben, damit wir die Teller und Schüsseln, auf denen wir die Salate anrichten wollten, variieren konnten, denn wir wollten vermeiden, dass beispielsweise drei Gerichte hintereinander auf demselben Teller präsentiert würden.
Wir rechneten, dass wir mit einer guten Mis en Place, also wenn wir die benötigten Zutaten, Gewürze und Arbeitsutensilien für uns optimal vorbereiteten und ordneten, dass wir pro Salat wahrscheinlich eine halbe Stunde vom Herstellen bis zum fertigen Foto brauchen würden. Aber es war uns letztlich unbekannt, wie schnell der Fotograf arbeiten bzw. wie oft er und in welchen Perspektiven er die Salate ablichten würde.
Zuletzt haben wir einen groben Zeitplan erstellt, wann wir welche Salate einplanten, denn wir mussten auch an Tagen, an denen wir nicht einkaufen konnten, Sonntag und an dem Donnerstag, der ein Feiertag war, Fotos machen, weil wir eben nur so eine kurze gemeinsame Schnittmenge an Zeit hatten. Diese einkaufsfreien Tage planten wir mit Salaten, die länger haltbare Zutaten hatten, und mit Fotos von den Dressings und dergleichen.
Unsere Planung war nicht schlecht, sogar ziemlich gut. Als wären wir Profis. Das zeigte sich jedenfalls gleich am ersten Tag, der schnell heranrückte.
Michael – wir waren inzwischen per Du – kam mit beladenem Auto und baute sein Equipment zusammen: Auf unserem Esstisch, der zum Glück groß genug war, um ein kleines Fotostudio für zwei seitliche Perspektiven und eine Fotosituation direkt von oben einrichten zu können. Zum Essen gab es natürlich dann keinen Platz mehr. Da wir im Dach wohnen und eine sehr große Fensterfläche haben, war das Problem eher von zu viel als von zu wenig Licht. Es wurde mit Stativen und Leintüchern ein großes Zelt über den Esstisch gespannt, das das Sonnenlicht streute und weicher machte.
Nun konnte es beginnen. Wir richteten den ersten Salat an, es war der Tomatensalat mit Fisolen. Michael und wir testeten uns gegenseitig. Können die beiden kochen, verstehen sie das Anrichten und Präsentieren? Was wollen die beiden von meinen Fotos, was sollen meine Fotos können? Wie lange braucht Michael, um den Salat abzulichten? Welche Ansprüche stellt er an uns, damit seine Fotos seinen Vorstellungen entsprechen? Wir geben es zu, wir waren unsicher, er ruhig und souverän. Ein paar Tipps von seiner Seite waren hilfreich, und er freute sich über direktes Feedback von unserer Seite. In Kürze entstand eine kreative Arbeitsatmosphäre, die wir alle als bereichernd empfanden. Ulli setzte auf den Tellern viele ihrer optischen Ideen um, die sie aus der Patisserie entlehnte. Johannes konnte mit seinen Erfahrungen als Theaterregisseur auch punkten, wenn es um Fragen der Beleuchtung oder auch um Perspektiven des Gerichtes ging. Manchmal reichte eine Drehung des Tellers um ein paar Grade, damit der Salat besser aussah, oder eine kleine Änderung im Winkel des zusätzlichen Scheinwerfers, der ein warmes Licht auf den Teller sandte. Johannes war oft mit der Anrichtepinzette bewaffnet, um noch Kleinigkeiten auf dem Teller zu modifizieren. Wir hatten Spaß an der gemeinsamen Arbeit. Wir sahen aber auch, dass nicht nur das Salateherstellen in Serie, sondern auch das Fotografieren körperlich anstrengend war. Vor allem die Perspektive gradlinig von oben forderte vom Fotografen große körperliche Disziplin, wenn sich Michael auf der Leiter stehend direkt über das Motiv beugen musste. Das Rund des Tellers durfte dabei nicht verzerrt werden.
Der erste Arbeitstag neigte sich dem Ende zu. War waren recht flott vorangekommen, und auf Ulli wartete eine anspruchsvolle Anrichtevariante, die sie sich für den Melonenfetasalat ausgedacht, aber noch nie ausprobiert hatte. Nachdem die normale Version fotografiert war, kam die hohe Kunst des Salatwürfels dran. Ulli baute aus Wassermelonen-, Zuckermelonen- und Fetakäsewürfeln einen großen Würfel. Wir wussten nicht, ob er zusammenhalten oder auseinanderfallen würde, doch er hielt und war wunderschön anzusehen. Es wurden tolle Fotos.
Stolz machte uns nicht nur, dass sich unsere Begeisterung für Salate auf Michael übertrug, sondern auch nach zwei Arbeitstagen sein Lob darüber, dass wir so exakt in unserer Arbeit getaktet seien. Er habe schon mit vielen professionellen Köchen und Köchinnen gearbeitet, und wir stehen ihnen um nichts nach, im Gegenteil, wir seien teilweise sogar besser organisiert. Johannes rechnete am fünften Tag unseren Durchschnitt aus, wie lange wir für einen Salat brauchen, um ihn „im Kasten“ zu haben: Es waren rund 24 Minuten.
Wenn Michael uns nicht brauchte, richteten wir schon den nächsten Salat her. Manchmal aber musste Johannes einspringen und mit einem Fotokarton beispielsweise einen Sonnenstrahl abdecken, der einen zu harten Schatten auf den Teller warf. Michael machte nicht nur Pause, wenn wir im Zubereiten eines neuen Salates waren, sondern fotografierte unsere Mis en Place, uns selbst beim Arbeiten und das Ambiente unserer Küche. Es kamen fantastische Fotos zustande, die im Buch auch wiederzufinden sind. Der Verlag wollte zusätzlich Fotos haben, wenn wir am Markt einkaufen gehen und uns von den Produzentinnen und Produzenten vom samstäglichen Bauernmarkt die neue Ernte zeigen lassen bzw. diese erstehen. Das planten wir für den Samstag ein. Offen gesagt waren wir aber dann mit der Ausbeute von diesen Motiven nicht zufrieden. Eigentlich niemand. Wir waren viel zu fokussiert auf den Einkauf und die Abarbeitung der Einkaufsliste, als dass wir uns entspannt und locker fotografieren haben lassen. Gut, dass wir einen Sicherheitspolster im Juli eingeplant hatten.
In dieser ersten Fotosession von 11 geplanten Tagen haben wir insgesamt an 9 Tagen gearbeitet. Sonntag haben wir uns freigegeben, als wir schon abschätzen konnten, dass wir das Pensum zeitgerecht erfüllen würden. Und den letzten Tag haben wir gar nicht mehr gebraucht.
Erschwerend kam jedoch in dieser Phase hinzu, dass unsere Lektorin gerade zu den Zeiten des Shootings uns die lektorierten Texte zusandte, mit der Bitte, diese durchzugehen und freizugeben. So sahen manche Tage unserer Fotosessions so aus: In der Früh die Einkaufsliste für den Tag abarbeiten. Dann die Mis en Place herstellen, dann die Fotos machen. Mittagspause. Was haben wir zu Mittag gegessen? Überraschung: Salate! Dann weiter mit dem Fotografieren, bis der Tagesplan fertig war. Kurze Pause, dann Einkaufsliste für den nächsten Tag zusammenstellen. Und abends in Ruhe, aber schon in einer gewissen Erschöpfung, die Texte vom Lektorat durchgehen und kommentieren. Es ist immer wieder toll zu erleben, wie Körper und Geist alle Kräfte bündeln, wenn man an einem spannenden und beglückenden Projekt arbeitet. Für Johannes war es ungefähr so, wie er die Schlussphase von Theaterproduktionen vor der Premiere erlebt hat: Stressige Endproben, Arbeiten und Aufbau vom Bühnenbild, Fertigstellung der Kostüme und die abschließende Prüfung und Druckfreigabe des Programmheftes – lange, intensive Tage.
Im Juli holten wir ein paar Salatrezepte nach, mit denen wir nicht so ganz zufrieden waren. Auch das Fotografieren am Markt wiederholten wir, diesmal entspannter und mit unbefangener Stimmung. Der Verlag wollte noch ein bisschen mehr Making-Of-Bilder, also nahmen wir die Herstellung eines Mimoseneies auf und ein paar Situationen beim Anrichten. Ebenso suchten wir passende Konstellationen für unsere Porträts. Alles war in zwei Tagen erledigt und Michael konnte die Fotos dem Verlag übergeben, wo sich dann die Grafikerin dem Satz widmete.
Achja, noch eine offene Frage: Was machten wir mit den vielen Salaten, die am Tag des Shootings entstanden sind? Wie schon oben erwähnt, haben wir die ersten Salate des Tages zu Mittag genossen. Die weiteren wurden uns liebenswürdigerweise abends von Freundinnen und Freunden, vor allem aber von unserer unmittelbaren Nachbarsfamilie abgenommen. Da wir manche Zutaten mehrfach einsetzen konnten, waren die Salate manchmal nicht mehr so schön wie auf den Fotos, aber geschmeckt haben sie, wie wir aus den Rückmeldungen schließen konnten.