Reifer Parmesan ist voller Geschmack. Gerieben oder gehobelt über ein Nudelgericht, viele können sich das ohne Parmigiano Reggiano, wie er vollständig heißt, nicht vorstellen. Er steigert die Würzigkeit und wirkt in Saucen und Fleischgerichten wie ein Katalysator. Wir haben es oft schon ausprobiert (siehe auch Rezepte am Ende des Artikels) und wollen nun wissen, was genau dahintersteckt.
Parmesan hebt unbestritten das Aroma auf ein Niveau, das in Japan als „umami“ bezeichnet wird. Dieser Begriff ist schwer zu übersetzen, vielleicht als „köstlich-herzhaft“, jedenfalls gilt „umami“ seit 2001 offiziell neben süß, sauer, bitter und salzig als fünfter Geschmack, er ist aber schon seit 1908 als Begriff bekannt, und vor allem in Japan wird daran geforscht. Umami wird der Aminosäure Glutamat zugeschrieben. Halt! – Das ist doch dieser verpönte Geschmacksverstärker aus dem China-Restaurant, der Verursacher des „China-Restaurant-Syndroms“, bei dem manchen Leuten schlecht oder schwindelig wird. Dabei können – sehr selten – innerhalb weniger Stunden Symptome auftreten, die fälschlicherweise als Allergie verstanden werden. Es handelt sich um eine Unverträglichkeit, die vor allem bei Europäern und Amerikanern auftreten kann, in Asien und Afrika ist sie nicht nachgewiesen. Neben Übelkeit kann die Substanz Glutamat Kopf- und Muskelschmerzen, Hautrötungen, ein Engegefühl in der Brust oder Zittern hervorrufen. Bei Kindern kann es auch zu Fieber kommen.
Aber Glutamat hat die Eigenschaft als Geschmacksverstärker, Essen besser schmecken zu lassen. Und es ist eine Erinnerung an unsere frühesten Essenserfahrungen: Die menschliche Muttermilch enthält zehn Mal so viel Glutamat wie jene der Kuh. Nicht nur mit der Muttermilch haben wir Glutamat aufgenommen, nein, unser Körper produziert es laufend selbst, wo es als Botenstoff im Gehirn zum Einsatz kommt. Glutamat wirkt zum Beispiel auf die Entwicklung des Nervensystems, die Gehirnleistung und den Muskelaufbau ein. Kann also Glutamat wirklich gefährlich sein? Nein, sagen eigentlich alle Studien, wovon es sehr viele gibt, und aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage geben der Lebensmittelausschuss der EU sowie viele verschiedene Expertengremien wie z.B. die FAO Entwarnung: Es ist nicht nachzuweisen, dass Glutamat einen schädlichen Einfluss auf den Menschen habe, und der Einsatz als Geschmacksverstärker sei daher unbedenklich.
Fakt ist aber, dass einzelne Personen aus der westlichen Kultursphäre sensibel auf Glutamat reagieren, die Gründe dafür sind noch nicht ausreichend erforscht. Daher wurde von der EU ein Höchstwert definiert, wonach ein Fertiggericht maximal ein Gramm Glutamat auf 100 Gramm, also 1%, enthalten darf. Und da sind wir nun bei den Verursachern des üblen Rufes des Glutamats angelangt: Den industriellen Nahrungsmittelproduzenten. Diese würden wahrscheinlich ihre Fertiggerichte, Snacks, Halbfertigprodukte mit Glutamat vollpumpen, dass es krachte. Denn der Geschmacksverstärker vermehrt auch unseren Appetit, sodass wir hemmungslos Chips und Tacos aus der Packung weiteressen wollen, dass jede noch so fade Tiefkühlpizza oder Packerlsuppe einen guten (oder besseren) Geschmack hat und wir sie wieder kaufen wollen. Diese Substanz wäre eine geniale Küchenwürze, wenn die Industrie nicht ihren Ruf ruiniert hätte.
Warum wir so weit ausholen und uns mit Glutamat beschäftigen? Weil in der EU, wenn es nicht die üblichen, auf Traditionen beruhenden Ausnahmen gäbe, reifer Parmesan eigentlich verboten wäre. Er enthält je nach Reife rund 12 bis 16 Gramm Glutamat pro Kilo Käse und liegt somit 20% bis 60% über dem Grenzwert von 10 Gramm. Und gerade deshalb ist Parmesan so hilfreich in der Küche. Auch reife Tomaten, Pilze, Fleisch, Fisch und der Blauschimmelkäse Roquefort enthalten durchschnittlich deutlich mehr Glutamat als andere Lebensmittel. Daher ist zum Beispiel eine klassische Lasagne voll davon – gibt es auch das Osteria-Syndrom? Wir haben davon jedenfalls noch nie gehört.
Wie kommt nun das Glutamat in den Käse? Es ist ein natürlicher Prozess der Fermentation und Reifung, und die entstehende Substanz ist chemisch ident mit der industriell hergestellten. Je länger der Käse reifen darf, umso mehr Milcheiweiß zerfällt in Aminosäuren, von denen Glutaminsäure eine ist, deren Salz wir als Glutamat bezeichnen. Wenn nun Parmigiano Reggiano über 24 Monate reift, reduziert sich sein Feuchtigkeitsgehalt auf etwa 15%, und dann konzentrieren sich die freien Aminosäuren und der Salzgehalt des Käses, der Glutamatgehalt steigt also an. Je länger er reift, umso höher ist der prozentuale Anteil an Glutamat, er kann also 1,6% und mehr erreichen. Ist Parmesan deshalb ungesund? Nein, er ist in geriebener Form ein natürlicher Geschmacksverstärker. Andere reife Hartkäse enthalten ebenfalls Glutamat, aber nicht so hoch, weil sie meist mit einer dichten Schale wie Wachs eingehüllt sind, wodurch kaum Wasser verdampfen kann.
Alter Parmesan ist also für uns ein guter, natürlicher Geschmacksverstärker, den wir einsetzen, wenn es passt. Kombiniert mit reifen oder getrockneten Tomaten ist er dann in seinem Element und spielt sein Umami-Potential perfekt aus. Auch zusammen mit der Butter, die als Geschmacksträger dient und ebenfalls Glutamat enthält, bildet er ein Traumpaar. Ab und zu essen wir kleine Parmesanwürfel, leicht mit feinem Olivenöl beträufelt, als Aperitif. Parmesan verträgt Fett sehr gut, weil er im Vergleich mit den meisten anderen Käsesorten relativ wenig davon enthält (zwischen 26% und 35% Fett in Trockenmasse), weshalb er sich zum Überbacken nicht gut eignet, er verbrennt zu leicht. Besser man mischt ihn mit einem fetteren Käse wie Emmentaler (45% F.i.T.) oder Butterkäse (60% F.i.T.), so hat man wenigstens noch die Naturglutamate dabei.
Gibt es verschiedene Parmesan-Sorten und wie teilt man diese ein? Parmigiano Reggiano gibt es nur einen. Er darf ausschließlich in den Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena, Bologna (linkes Ufer des Reno) und Mantua (rechtes Ufer des Po) erzeugt werden. Dort grasen die Kühe und dürfen nur mit dem in diesem Gebiet angebauten Futtermittel gefüttert werden, wobei gemäß einer Verordnung, die Verwendung fermentierter Futtermittel, von Silage und von tierischen Produkten verboten ist. Die Technik dieser Käseherstellung ist über 1000 Jahre alt, wurde natürlich über die Jahrhunderte verfeinert und modernisiert. Der Charakter ist derselbe geblieben. Die Käselaibe sind riesig und wiegen um die 20, aber auch bis zu 50 Kilogramm. Sie müssen mindestens 12 Monate gereift sein, um das Siegel der authentischen Herkunft tragen zu dürfen. Diese gelten als „giovane“, jung, oder „fresco“. Reifte der Parmesan zwischen 18 und 24 Monate im Keller, nennt man ihn „vecchio“, alt, und sehr hochwertiger Parmesan kann bis zu vier Jahren und länger reifen – wir hörten schon von 100 Monaten, sahen aber noch nie einen. Nach 3 bis 4 Jahren heißt er „stravecchio“, uralt, und gilt als das Beste, was man sich zur Pasta und zum Würzen gönnen kann. Also je älter, umso geschmacksintensiver und besser zum Reiben. Die jungen kann man durchaus noch pur essen, die älteren werden immer härter und auch trockener.
Nach Ablauf des 12-monatigen Reifeprozesses muss sich jeder Käselaib einer strengen Auswahl und Überprüfung durch Experten stellen. Danach werden auf denen, die bestanden haben, das Qualitätssiegel aufgebracht und in drei nachvollziehbaren Qualitätsstufen eingeteilt:
Höchste Stufe: Parmigiano Reggiano.
Der Käse hat eine kompakte Textur und alle Eigenschaften, die die Vorgaben erfüllen, er eignet sich für eine lange Reifung und kann pur genossen bzw. als hochqualitativer Reibekäse dienen. Die Laibe tragen die Ursprungskennzeichnung (in Punktschrift und einem typisch geformten Etikett aus Kasein) sowie das ovale Brandzeichen „Parmigiano Reggiano“.
Mittlere Stufe: Parmigiano Reggiano „Mezzano“.
Diese Käselaibe weisen einige leichte oder mittelschwere Fehler auf, die in der Struktur der Käsemasse und/oder an der Rinde zu finden sind, jedoch beeinträchtigen sie nicht die typischen sensorischen bzw. geschmacklichen Eigenschaften des Produkts. Das Produkt kann als guter Tafelkäse verzehrt werden, wird aber meist nicht mehr lange gelagert. Auf den Rädern der Laibe befindet sich das ovale Brandzeichen. Im Unterschied zur höchsten Stufe sind die Ränder mit parallelen Rillen markiert.
Unterste Kategorie: „Sbiancato“.
Käse mit erheblichen Mängeln, die den Spezifikationen für „Parmigiano Reggiano“ nicht entsprechen. Er wird als „Ausschuss“ oder „Sbiancato“ definiert. Diesen Käselaiben werden die Ursprungsmarkierungen von der Rinde vorsichtig abgefräst, womit sie nun keinen Verweis auf den geografischen Ursprung aufweisen dürfen und als Parmigiano Reggiano ausgeschlossen sind. Sie werden anders, beispielsweise für die Herstellung von gemischtem Reibe- oder Schmelzkäse, verwertet.
Da Parmigiano Reggiano ausschließlich aus Milch, Salz und Lab und ohne Zugabe von Zusatzstoffen und Konservierungsmitteln erzeugt wird, kann man auch seine Rinde, die sich auf natürliche Weise durch Austrocknung der Oberflächenschicht des Käses bildet, ohne Bedenken essen. Sie ist allerdings sehr hart, doch steckt in ihr intensiver Geschmack. Sie kann mit einer guten Reibe mitgerieben oder einfach weggeschnitten und anders verwendet werden: Wir geben sie gerne, wenn es passt, als Geschmacksverstärker in Eintöpfe oder kräftige, sämige Suppen (Minestre), und in der Bolognese gehört sie unbedingt mitgekocht.
Seit 26. Februar 2008 darf laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes der Begriff „Parmesan“ nur noch für Parmigiano Reggiano, der nach den oben erwähnten Richtlinien hergestellt und zertifiziert wurde, verwendet werden. Der Verwandte Grana Padano darf also nicht mehr als Parmesan bezeichnet werden, obwohl er sich in der Herstellung sehr ähnelt. Nur stammt er aus der Pianura padana, einem Gebiet, das vom Rand der Westalpen bis an die Adriaküste reicht und das größte ist, dem die EU bislang eine Herkunftsbezeichnung zugestanden hat. Auch bei diesem Käse überwacht ein Konsortium die Qualität des Käses und kontrolliert das Produktionsverfahren. Die Rinde des Laibs bzw. die Verpackung der portionierten Granas müssen das amtliche Siegel aufweisen, um sich als echte geschützte Qualitätsprodukte auszuweisen.
Welcher Käse der bessere ist? Die Unterschiede bei der Fütterung der Tiere und Reifezeit bilden sich jedenfalls im Preis ab: Ein Grana Padano ist meist günstiger zu haben als ein Parmigiano Reggiano. Während beim Parmesan fermentiertes Futter für die Kühe tabu ist (siehe oben), darf für den Grana Padano auch Milch von Kühen, die zum Beispiel mit sogenannter Silage gefüttert wurden und aus anderen Gebieten wie dem Veneto, Trentino, dem Piemont oder der Lombardei stammen, verwendet werden. Doch auch ein Grana kann durch eine längere Reifung ein beachtliches Aroma entwickeln und an die Qualität eines Parmesans heranreichen.
Beispiele für Rezepte, in denen Parmesan als Geschmacksverstärker besonders gut eingesetzt wird:
Toskanisches Truthahngeschnetzeltes